FAQ über geschlechter­sensible Sprache

Geschlechtersensible Sprache

Mit dem falschen Geschlecht bezeichnet oder angesprochen zu werden, ist für die meisten Menschen unangenehm. Das gilt auch für die meisten Männer: Sie wollen nicht als »Kundin«, »Nachbarin«, »Kollegin« oder »Chefin« bezeichnet werden. Viele heterosexuelle Männer wollen nicht, dass von ihrem »Lebenspartner« gesprochen wird – weil sie wissen, dass damit eine männliche Person verstanden wird.

Geschlechtersensible Sprache ist ein Sprachgebrauch, der zum Ziel hat, Menschen aller Geschlechter zu benennen. Die Anwendung geschlechtersensibler Sprache wird auch kurz als »gendern« bezeichnet.

Sprache ist unser Werkzeug, um unsere Wirklichkeit zu beschreiben. Deswegen entwickelt sie sich immer weiter.

Neue Erfindungen brauchen neue Wörter. Veränderungen in der Gesellschaft führen zu Veränderungen in der Sprache.

Aus dem »Fernsprecher« wurde das »Telefon«, dann das »Mobiltelefon« oder »Handy«, und heute ist es das »Smartphone«. Wer heute noch »Fernsprecher« sagt, ist irgendwie aus der Zeit gefallen.  

Ein anderes Beispiel ist der Begriff »mobiles Arbeiten«. Er wurde in den letzten Jahren normaler Bestandteil der Alltagssprache vieler Menschen, die ihn zuvor nicht gebraucht haben.

Sprache beeinflusst, wie wir unsere Umwelt wahrnehmen. Sie prägt unser Bewusstsein, Denken und Handeln. 

Was in unserer Sprache nicht vorkommt, kann aus unserer wahrgenommenen Realität einfach verschwinden.  

So ist es zum Beispiel den Computerprogrammiererinnen der 1960er Jahre und sogar der ganzen Gruppe nicht binärer Menschen ergangen: Weil niemand von ihnen berichtet hat, glauben viele Menschen, dass es sie in der Vergangenheit nicht gegeben hat.

(1) Duden Sprachratgeber zum Thema gendern, URL: https://www.duden.de/sprachwissen/sprachratgeber/Geschlechtergerechter-Sprachgebrauch#google_vignette
(2) Ursula Doleschal, 2021: Das generische Maskulinum im Deutschen. Ein historischer Spaziergang durch die deutsche Grammatikschreibung von der Renaissance bis zur Postmoderne, in: Linguistik Online, 11.02.2002, URL: https://bop.unibe.ch/linguistik-online/issue/view/212
(3)
Irmen, Lisa & Vera Steiger, 2005: Zur Geschichte des Generischen Maskulinums: Sprachwissenschaftliche, sprachphilosophische und psychologische Aspekte im historischen Diskurs. ZGL, 33, 212-235. 
(4) Duden Sprachratgeber zur Bezeichnung Gästin, URL: https://www.duden.de/sprachwissen/sprachratgeber/Die-Bezeichnung-G%C3%A4stin-und-die-Gebr%C3%BCder-Grimm: Gästin gehört zu den weiblichen Formen, die – wie auch die Engelin oder die Geistin – bereits im Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm aufgeführt und mit zahlreichen Belegstellen unterfüttert wurden. Auf dem Weg vom späten 19. ins 21. Jahrhundert war sie aus der Alltagssprache verschwunden: Umso erfreulicher, dass sie jetzt wiederentdeckt wurde und ihren Sprachplatz wiedererobert. 

Das generische Maskulinum

Das generische Maskulinum ist eine grammatisch männliche Form, mit der Personen aller Geschlechtsidentitäten gemeint sein sollen. 

Ein Beispiel ist die Bezeichnung »die Zuschauer« für ein Publikum, das aus Menschen verschiedener Geschlechter besteht. 

Auch in der Einzahl wird das generische Maskulinum für eine Gruppe unterschiedlicher Menschen verwendet. Zum Beispiel: »der Wille des Wählers«. Hier soll »der Wähler« alle Menschen bezeichnen, die gewählt haben. 

Das generische Maskulinum bewirkt auch, dass »Zuschauerinnen« oder »Wählerinnen« andererseits ausdrücklich nur Frauen bezeichnet.

Wenn nur die männliche Form genannt wird, bleiben die »mitgemeinten« Personen unsichtbar und unhörbar. 

Nicht männliche Personen fühlen sich darum weniger gemeint und weniger einbezogen.  

Die nicht männlichen Personen in der benannten Gruppe werden von anderen nicht wahrgenommen.

Manchmal ist klar, dass mit der rein männlichen Bezeichnung Menschen aller Geschlechter gemeint sind. 

Ganz oft ist das allerdings nicht der Fall. Es gibt Forschungsergebnisse, die zeigen, dass das generische Maskulinum nicht neutral verstanden wird, sondern meistens als Ausdruck, der nur Männer bezeichnet.

Dies gilt insbesondere, wenn über einzelne Personen gesprochen wird: »der Arzt«, »der Politiker«, »der Geschäftsführer«, z. B. »Ich gehe zum Arzt«. 

Man kann also sagen, dass das generische Maskulinum nicht funktioniert, da es seinen Anspruch, alle zu meinen, nicht erfüllt. Auch wenn es nicht immer gleich schlecht funktioniert.

Das generische Maskulinum kann die Realität sehr stark verzerren. 

99 Frauen in einem Betrieb sind »Mitarbeiterinnen« ― sobald ein einziger Mann dazu kommt, wird nach der Logik des generischen Maskulinums die ganze Gruppe männlich bezeichnet und verstanden. Die 99 Frauen werden so zu »Mitarbeitern«.

Die Formulierung «die Nobelpreisträger« zum Beispiel bewirkt, dass die meisten Menschen nur an Männer denken. Nobelpreisträgerinnen kommen in der Vorstellung nicht vor. 

Das ist problematisch, weil viele Menschen dadurch annehmen, Frauen* seien nicht in der Lage, eine Leistung zu erbringen, die mit einem Nobelpreis ausgezeichnet wird. Diese Annahme entspricht aber natürlich nicht der Realität.  

Auch bei vielen Berufsbezeichnungen führt die rein männliche Form (z. B. »Ingenieure«) dazu, dass sie als Bezeichnung für reine Männerberufe wahrgenommen werden. Oft folgt dann der Trugschluss, Frauen* seien dafür nicht geeignet. 

Nicht männliche Jugendliche, die eigentlich das Talent für diese Berufe haben, ziehen diese Berufe für sich selbst weniger in Betracht. Damit sind diese Personen in ihrer Berufswahl eingeschränkt.

(1) Diewald, Gabriele, 2018, Zur Diskussion: Geschlechtergerechte Sprache als Thema der germanistischen Linguistik – exemplarisch exerziert am Streit um das sogenannte generische Maskulinum, in: Zeitschrift für Germanistische Linguistik, 46/2018, S. 283–299.
(2) Für einen Überblick s. Irmen & Linner, 2005. (aus: Marcus Friedrich, https://www.sprache-und-gendern.de/beitraege/verstaendlichkeit-wie-verstaendlich-ist-geschlechtergerechte-sprache)
(3) Kotthoff, Helga; Nübling, Damaris, 2018: Genderlinguistik. Eine Einführung in Sprache, Gespräch und Geschlecht, Unter Mitarbeit von Claudia Schmidt, Tübingen 2018. 
(4) Dagmar Stahlberg, Sabine Sczesny, 2001, Effekte des generischen Maskulinums und alternativer Sprachformen auf den gedanklichen Einbezug von Frauen. Psychologische Rundschau 52: 131-40, Online veröffentlicht: 01. September 2006 https://doi.org/10.1026//0033-3042.52.3.131 
(5) Dries Vervecken und Bettina Hannover, 2015, Effects of Gender Fair Job Descriptions on Children’s Perceptions of Job Status, Job Difficulty, and Vocational Self-Efficacy, URL: https://econtent.hogrefe.com/doi/10.1027/1864-9335/a000229/

Varianten geschlechter­sensibler Sprache

Es gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, in der Sprache kein Geschlecht auszuschließen: 

  1. geschlechtsneutrale Begriffe – z. B. »Lehrkräfte«, »Pflegekraft«, »Abteilungsleitungen«
  2. Partizipien – z. B. »Mitarbeitende«, »Teilnehmende«  
  3. Umschreibungen – z. B. »für die Menschen in Hamburg« statt »für die Bürger Hamburgs«  
  4. Sonderzeichen (Asterisk/Stern, Doppelpunkt, Unterstrich, …) – z. B. Kolleg*innen, Wähler:innen, Sportler_innen.  

Dazu kommen noch verschiedene andere Vorschläge, die noch nicht so häufig verwendet werden. Zum Beispiel die y-Form wie »Lehrys« für Lehrkräfte. 

Die Paarform benennt Frauen und Männer mit zwei Begriffen oder z. B. einem »Binnen-I«: »Lehrerinnen und Lehrer« oder »LehrerInnen«. Damit werden alle weiblichen und männlichen Lehrkräfte benannt.  

Wer in der Sprache auch Menschen einschließen möchte, die sich weder als Frau noch als Mann verstehen, benutzt die Paarform nicht.

Wer diese Form der geschlechtersensiblen Sprache auch sprechen möchten, nutzt dafür üblicherweise eine kurze Sprechpause an der Stelle des Sonderzeichens. 

Diese Pause klingt wie die kurze Pause nach vielen Vorsilben (z. B. »Er-eignis«) oder in zusammengesetzten Wörtern (z.B. »Spiegel-ei« oder «Bundes-innenministerin«). 

Wissenschaftlich korrekt ist es übrigens eine Pause mit einem Laut, der »Glottisschlag« genannt wird.

(1) https://www.duden.de/rechtschreibung/Glottisschlag
(2)
Braun, Friederike u.a.
, 2007: „Aus Gründen der Verständlichkeit…“: Der Einfluss generisch maskuliner und alternativer Personenbezeichnungen auf die kognitive Verarbeitung von Texten, in: Psychologische Rundschau, 58 (2007) 3, S. 183-189. 

Häufige Fragen

Weil wir unser ganzes Leben lang Änderungen im Sprachgebrauch mitmachen, haben wir viel Übung darin, neue Formulierungen schnell zu verstehen.  

Wir wissen aus Studien, dass Texte in geschlechtersensibler Sprache nicht schwer zu verstehen sind.

Ein Text ist umso verständlicher, je näher die Formulierungen an der Alltagssprache sind. »Die Ingenieur*innen arbeiten gerade« ist eine gut verständliche Aussage. 

Besonders bei Behörden und Ämtern ist nicht die geschlechtersensible Sprache das Problem. Die veraltete Verwaltungssprache, die sehr weit weg von der Alltagssprache der Menschen ist, macht sehr viele Texte unverständlich.  

Übrigens gehört zur Verständlichkeit auch, dass ein Text den Inhalt richtig wiedergibt. Texte im generischen Maskulinum tun das aber nicht, weil sie die Realität verzerren. Sie sind daher missverständlich.

Es gibt viele Menschen und Organisationen, für die geschlechtersensible Sprache wichtig ist. Gerade Schüler*innen und Studierende verwenden sie teilweise ganz selbstverständlich.  

Es gibt eine breite Akzeptanz für geschlechtersensible Sprache.  

Bereits 2017/2018 zeigte eine Studie des Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, dass nur eine Minderheit (17%) das generische Maskulinum bevorzugt.

Wie sich unsere Sprache genau weiterentwickeln wird, können wir jetzt noch nicht wissen.

Geschlechtersensible Sprache ist für viele Feminist*innen wichtig, weil sie die Vielfalt in der Gesellschaft auch sprachlich abbilden wollen.  

Antifeministische bzw. vielfalts-ablehnende Bewegungen stellen sich daher dagegen.  

Das heißt sicher nicht, dass alle Menschen, die geschlechtersensible Sprache schwierig oder unnötig finden, grundsätzlich antifeministisch sind.  

Aber es ist wichtig zu verstehen, dass das Unbehagen, das die Veränderung des Sprachgebrauchs bei manchen Menschen auslöst, von antifeministischen und vielfaltsfeindlichen Bewegungen genutzt wird. Sie wollen auf diese Weise möglichst viele Menschen hinter sich vereinen.

Bei jeder Veränderung in unserer Gesellschaft gibt es Menschen, die sie nicht gut finden.  

Veränderungen im Sprachgebrauch sind da für viele besonders schwierig. Unsere Sprache ist etwas sehr Persönliches, und was als »Eingriff« von anderen wahrgenommen wird, lehnen wir schnell ab.  

Für viele Menschen verlangt eine Änderung des eigenen Sprachgebrauchs auch ein Verlassen der Komfortzone. Das bringt Unsicherheit.  

Es ist kein schönes Gefühl, wenn ich nicht mehr weiß, wie ich sprechen oder schreiben soll. Deswegen empfehlen wir, da ohne Druck ranzugehen und es einfach einmal auszuprobieren – wenn ihr euch damit befassen wollt.

Wir wollen auf keinen Fall, dass verschiedene diskriminierte Gruppen gegeneinander ausgespielt werden.  

Gleichzeitig wollen wir ernstgemeinte Fragen auch ernsthaft beantworten.  

Einzelne Menschen können geschlechtersensible Sprache schwierig finden, genauso wie sie vielleicht neue Begriffe wie »App« oder »Cloud« nicht verstehen.  

Es stimmt nicht, dass z. B. alle Menschen mit Behinderungen durch geschlechtersensible Sprache ausgeschlossen werden.

So können zum Beispiel viele Screenreader (Bildschirmvorlese-Software für Menschen mit Sehbehinderungen) geschlechtersensible Sprache genauso korrekt wiedergeben wie Emojis.  

Auch hier gilt übrigens: Gerade die deutsche Behördensprache ist für viele Menschen nicht verständlich. Geschlechtersensible Sprache ist dabei nicht das Problem.

Regelungen & Gesetze

Die Regeln für die amtliche deutsche Rechtschreibung werden vom Rat für deutsche Rechtschreibung vorgegeben.  

Dieser Rat ist ein zwischenstaatliches Gremium, das dafür von staatlichen Stellen im deutschen Sprachraum beauftragt ist.  

Die Rechtschreibregeln gelten für diejenigen Institutionen, für die der Staat Regeln machen darf (Verwaltung, Schule).  

Andere Organisationen orientieren sich auch an diesen Regeln, z. B. Firmen, Verlage, Druckereien, Redaktionen, müssen es aber nicht.

Es gibt aber auch Autor:innen, Redaktionen und Organisationen, die von manchen Regeln ganz bewusst abweichen. Dafür kann es künstlerische oder politische Gründe geben.

Es gibt keine einheitliche Regelung für die gesamte Kommunikation und Sprache von Verwaltung und Schulen in Hamburg.  

Was es gibt:  

  1. Regeln für die hamburgische Verwaltung (»Grundsätze für die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Rechts- und Verwaltungssprache«) aus dem Jahr 1995 für: – Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die Gestaltung von Vordrucken und amtliche Schreiben.
  2. »Hinweise zur geschlechtersensiblen Sprache in der hamburgischen Verwaltung« aus dem Jahr 2021. Diese Hinweise »können für sämtlichen Schriftverkehr der Verwaltung (…) aufgegriffen werden« – aber nicht für die Dokumente, für die noch die Regeln aus 1995 gelten.

Beide Schriftstücke (Grundsätze aus 1995 und Hinweise aus 2021) sagen, dass geschlechtersensible Sprache verwendet werden soll. Allerdings geben sie unterschiedliche Formen und Möglichkeiten an.  

Die Paarform wird 1995 empfohlen; in den Hinweisen aus 2021 erscheint sie nicht. 

Sonderzeichen sind in den Grundsätzen aus 1995 nicht erlaubt, aber in den Hinweisen aus 2021 als Möglichkeit benannt. 

Damit gelten für unterschiedliche Dokumente der Verwaltung unterschiedliche Regeln. 

Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat in den letzten zwei Jahren drei Dinge bekannt gegeben:  

  1. Allen Menschen soll mit geschlechtersensibler Sprache begegnet werden und sie sollen sensibel angesprochen werden.  
  2. Der Rat empfiehlt die Verwendung von Sonderzeichen (Asterisk/Stern, Doppelpunkt, Unterstrich, …) zum Zweck der geschlechtersensiblen Sprache nicht.  
  3. Das Thema wird weiter beobachtet, da es sich immer weiter entwickelt.

Eine solche allgemeine Vorgabe gibt es nicht.  

Geschlechtersensible Sprache mit Sonderzeichen ist erlaubt (außer in Rechts- und Verwaltungsvorschriften, der Gestaltung von Vordrucken und amtlichen Schreiben). 

Für Schulen wichtig: Der Rat für deutsche Rechtschreibung empfiehlt zwar die Verwendung geschlechtersensibler Sprache, jedoch bisher nicht die Formen mit Sonderzeichen. 

(1) Grundsätze für die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Rechts- und Verwaltungssprache (08.08.1995), URL: https://www.hamburg.de/bsb/massnahmen-zur-gleichstellung/7084518/gendergerechte-sprache/
(2) Hinweise zur geschlechtersensiblen Sprache in der hamburgischen Verwaltung (2021): https://www.hamburg.de/contentblob/15266014/bbbfd7425d6780879805ae34060d7133/data/hinweise-geschlechtersensible-sprache.pdf

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